Die Gründungsmitglieder Anna Will und Fanny Schorr bereisten im Jahr 2012 den Kontinent Afrika. Dies ist ein Text, den sie während ihres Kenia Aufenthaltes verfassten.
Ohne Plan ins afrikanische Großstadttreiben Nairobis.
Wir sitzen auf der Straße und schauen uns um. Beobachten die Vielfalt der afrikanischen Gesichter und versuchen, all die neuen Eindrücke aufzunehmen. Minuten folgen auf Minuten. Es ist unmöglich.
“Anna, ich vermisse die Natur!” “Oh Natur! … Du Wunder des bedingungslosen Seins…”
Wir wünschen uns vom Universum einen Rastamenschen, der uns sagt, zu welchen Ort wir im Moment gehören. Zwei Minuten später hockt sich Joseph neben uns, ein 27 jähriger Rastafari mit Dreads, der etwas verwirrt ist, als wir ihm enthusiastisch erklären, dass das Universum ihn geschickt hat.
Seine Augen blitzen voll Lebenslust und Liebe. Wir vertrauem ihm, lernen einander kennen, lassen uns von ihm durch die Stadt führen. An Bettlern und Straßenkindern, vollgestopften Bussen, Ständen mit Maisbrei und rufenden Menschen vorbei.
Im grünen Frieden eines Parks lassen wir uns nieder.
” Was machst du hier eigentlich?” “Ich suche Arbeit… Laufe herum, frage Freunde und Bekannte ob sie einen Job fuer mich haben. Ich bin LKW Fahrer.” “Wie oft findest du einen?” ” So 5 mal im Monat…” “Und magst du es, das Fahren?” ” Ich liiebe es” lacht er. “Mit vier hab ich mir selbst das Fahren beigebracht. Alle habe gestaunt als ich mit dem Traktor die Familie am Sonntag zur Kirche gefahren habe!” Er lacht wieder. so viel und so froehlich. “ich liebe das Fahren…” Aufgewachsen ist er in Tansania.
Eine grosse Farm auf der er mit 14 Cousins und Cousinen und 5 Brüdern die Welt für sich eroberte.
Seine Familie konnte ihm die Schullaufbahn weitestgehend ermöglichen. 3 Tage die Woche. Später arbeitete er als Fahrer , neben der Schule im Betrieb seines Vaters um sich die Ausbildung zu finanzieren.
Mit 19 heiratete er die Frau die er liebte und lebte zusammen mit ihr und ihrer gemeinsamen Tochter in einem Holzhaus auf dem Gelände seiner Familie.
Es kamen die Wahlen zur Präsidentschaft für Kenia im Jahre 2005. Drei Kandidaten , unter ihnen Mwai Kibaki, vom Stamm der Kikuyu und Raila Odinga vom Stamm der Luo.
Jeder Stamm beherbergt eine eigene Kultur, eine eigene Sprache, eigene Wünsche und Vorstellungen von einer Gesellschaft.
Jeder Stamm, will im prinzip, so erklärt er uns, seinen eigenen Präsidenten.
Joseph, so heisst unsere neuer Freund und sei
ne Familie sind vom Stamm der Kikuyu.
Die Wahlen 2005 wurden zu einem Bruch in ihrer aller Leben.
Die Spitzenkandidaten schürten den Hass der Ethnien aufeinander, u.a. durch bezahlte Morde ( 15 Euro) und Vergewaltigungen ( 5 Euro) im Untergrund.
Die Völker gingen in ihrer Verzweiflung aufeinander los.
Luo´s kamen auf die Farm von Josephs Familie. Sie brannten alles nieder.
Sein Haus war das erste.
Die Familie musste fliehen. Ihnen blieb nichts, als ihr Leben.
… Seitdem wohnen sie in einem Slum Nairobis, zwischen Müll und Kerzenschein.
600.000 Kikuyus wurden in ganz Kenia auf diese Art vertrieben. 1.500 umgebracht.
Den Politikern geht es um die Macht. Den Menschen um ihr Leben, ihr Zuhause, ihre Zukunft. Dieses Spiel der Gewalt, ein Instrument von ganz oben gespielt fuer die, die endlos verzweifelt sind. Joseph sieht es anders. Er hasst die Luo.
“Das sind schlechte Menschen. Wir haben 42 Stämme in Kenya. Aber nur die Luo kämpfen.”
Wie kann er anders denken bei dem, was er erlebt hat?
Eine Lebensgeschichte, die wir uns nicht einmal vorstellen können.
Nach der Flucht versuchte Joseph, der zweitälteste Sohn der Familie, die Schulgebühren für sich selbst und seine Brüder zu erarbeiten. Vier oder fünf Tage pro Woche.
Er war Waechter vor Hotels, verdiente in 12 Stunden ca. 2 Euro.
Sein älterer Bruder und er selbst mussten die Ausbildung schließlich abbrechen und so begann er als Lastwagenfahrer das Finanzier für die Schulgebühren seiner Brüder zu übernehmen. Sie konnten die Schule abschliessen.
Seine Frau verließ ihn zu dieser Zeit. Brannte mit ihrem Kind in eine allen unbekannte Gegenwart durch.
Fuer sie war es wohl alles zu krass.
Während er von seinem Leben erzählt schaut er in die Luft, das Gesicht angespannt, er wackelt mit den Beinen. Ist nervös. Seine Augen sind voll Trauer, als er an seine Brüder denkt.
“Ich wollte, dass sie ein besserer Leben haben als das, das ich lebe.”
Tapfer lächelt er uns ins Gesicht. Wir haben eine Gänsehaut.
“Sie machen mich glücklich. Der eine bereitet sich nun darauf vor, zu heiraten, lebt in einem guten Haus, mit guten Möbeln, er hat einen guten Job. Er macht mich so, so glücklich.” Joseph selbst ist ungebildet geblieben. Ist arbeitslos und verbringt seine Tage damit, nach Arbeit zu suchen.
Er lebt in einem Raum aus Wellblech, Löchern in den Wänden und Kakerlaken auf dem Boden in einem Slum Nairobis, dass er weder liebt noch schätzt.
Im letzten Jahr hat er drei Monate auf der Straße gelebt, weil er die 15 Euro Miete für seinen Raum nicht hatte. Die Jobangebote kommen und gehen. Es gibt keine Regelmäßigkeit, egal wie sehr man sich anstrengt. “Ich bin glücklich im Leben. 80% von denen, mit denen ich aufgewachsen bin, mit denen ich als Kind gespielt habe, sind tot.” Mädchen, die sich nach der Schule prostituierten, um ihre Familien zu unterstützen. Die an Aids starben.
Jungen, die auch Lastwagenfahrer wurden, die bei Autounfällen starben. Freunde die an unbehandelten krankheiten starben.
Andere Jungen, die zu Dieben und von der Polizei erschossen wurden. Die Liste des Leids scheint endlos.
“Es ist die Armut, die das mit den Menschen macht.” Er wackelt wieder mit seinen Beinen, ist so nervös und gibt uns eine Sekunde Einblick in eine Welt der Bodenlosigkeit. Es ist unfassbar für uns, was Menschen alles tragen und vor allem ertragen können.
Wir fragen ihn nach seinen Träumen.
Er wünscht sich einen guten Job. Eine Familie, zwei Kinder und eine Frau, die sich gut um die Kinder kümmert. Er träumt davon, irgendwann die unterstützen zu können, die sich die Schulausbildung nicht leisten können.
Als wir ihn trafen, wussten wir all das noch nicht.
Sahen einen Menschen mit ruhiger Ausstrahlung und Lachen im Gesicht, in das man gerne einstimmt.
Josefe Muangi
Josefes Besitztümer in seinem Zuhause
Eine Freundschaft die unser Leben veränderte.